Bänke raus aus dem Dom – Stühle rein in den Dom – Provisorium beendet
Eine kleine Chronologie des Wandels im Mariendom
Rund 2 Jahre hat es gedauert, bis sich seit der ersten Räum-Aktion mit den Kirchenbänken eine dauerhafte Lösung für den Mariendom entwickelt hat. Seit Mitte August 2022 hat der Dom nun eine neue flexible Bestuhlung, die es erlaubt, je nach Gottesdienstform, je nach Ort des Geschehens, je nach Zahl der zu erwartenden Besucherinnen und Besucher die Einrichtung des Kirchenraumes zu verändern.
Aus der Corona-Not heraus wurde die Idee geboren, die Bänke auszulagern, um mithilfe der Stühle aus dem Pfarrheim den Kirchenraum mit der jeweils erlaubten Zahl an Sitzplätzen auf Abstand auszustatten. Dies war in den klassischen Bankreihen kaum möglich, ohne dabei zu viel Platz zu verlieren. 150 cm sollte damals immer der Abstand von einer Person zur anderen betragen. Diesen Wert konnte man mit den Plätzen in den schweren Holzbänken entweder nur unter- oder überschreiten. Das Ergebnis war, dass wir zwangsläufig weniger Sitzplätze ausweisen konnten, als wir von der räumlichen Gesamtfläche her gehabt hätten. Mit Hilfe der Stühle konnten wir flexibel auf die jeweilige Abstandsregelung in der Corona-Schutzverordnung reagieren.
Also wurden die Bänke im November 2020 aus dem Dom gebracht und in einer Lagerhalle am Hafen untergebracht – damals noch in der festen Annahme, dass an Ostern der ganze Corona-Spuk vorbei sei, und die Bänke wieder zurück kämen. Doch es kam anders…
Einerseits waren wir seitens der Gemeinde und viele Besucher begeistert vom freien Raum des Doms. Der 800 Jahre alte romanische Bau präsentierte sich ohne die quer zum Raum stehenden Bänke in einer ganz neuen Weite und Freiheit. Das war wirklich ein großartiger Eindruck. Dazu kam das erste Weihnachtsfest im zweiten Corona-Lockdown. Wir haben im Verlauf des Heiligen Abends den ganzen Nachmittag über mehrere sogenannte „Hirtenfeldgottesdienste“ angeboten, die wegen der schlechten Witterung drinnen stattfinden mussten. Wie gut, dass der Dom vollkommen frei war. Die Besucher konnten im frei gewählten Abstand stehen, hören, sehen und singen. Alle hatten dennoch Gelegenheit den Weg zur Krippe, die erstmals auf den Altarstufen aufgebaut war, zu gehen. Der Raum hat alle – trotz Corona – geborgen und aufgenommen. Wir haben gemerkt, dass wir mit dem Raum und im freien Raum ganz neue Settings gestalten können, in denen Gottesdienst stattfinden konnte. Zur Taufe am historischen Taufstein wurden die Stühle der letzten Reihen einfach nur umgedreht, und schon war die kleine Tauf-Gemeinde sonntags miteinander eine familiäre Hauskirche – im großen romanischen Kirchenschiff.
Der „Vorher-Nachher-Vergleich“ zeigt deutlich die Veränderung: Der Raum wirkt freier, weiter, heller.
Die Idee, den Zustand generell so zu belassen und die Bänke nicht mehr in den Dom zurück zu holen, wurde mehrfach geäußert, bis das wir im Mai 2021 eine Umfrage in der Gottesdienstgemeinde sowie per Pfarrbrief und Internet gestartet haben. Eine knappe Mehrheit sprach sich für eine Neugestaltung des Bestuhlung aus und gegen die Wiederkehr der Kirchenbänke, die aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende stammen – und zugegebenermaßen wirklich äußerst unbequem waren.
Bis dass dann „der neue Stuhl“ gefunden war und die Ausquartierung der alten Bänke sowie die Neuausstattung des denkmalgeschützten Mariendoms mit den neuen Stühlen mit den zuständigen innerkirchlichen Behörden ausgefochten war, ist fast ein Jahr vergangen.
Im Mai 2022 konnten die neuen stapelbaren Stühle mit Buchablage und flexibler Kniebank bestellt werden. Hier trug die Pfarrei rund 2/3 der Kosten, der Förderverein Mariendom rund 1/3. Zum Hochfest Maria Himmelfahrt 2022, am Patronatsfest des Mariendoms und zum „kleinen Jubiläum“ des Fördervereins, der „zum 10-jährigen“ zugleich die Anschaffung der Stühle sponserte sowie das neue Röhrenglockenregister für die Domorgel ermöglichte, konnten die neuen Stühle offiziell in Dienst genommen und „eingesessen“ werden.
Was passierte mit den alten Kirchenbänken?
Manchmal kommt man nicht umhin zu glauben, dass der liebe Gott nichts anderes tut, als die Dinge zu fügen. In unsere Suche nach guten Verwendung für die Kirchenbänke kam unerwartet eine recht spontane Anfrage einer Kirchengemeinde aus Kiew. Dort hat ein Brand die St. Nikolaus-Kathedrale der katholischen Christen des lateinischen Ritus schwer beschädigt.
Was an sich tragisch klingt, ist für die Gemeinde ein Glücksfall: Der Staat hatte die Kirche seit 1930 als Lagerhaus und dann als „Konzertsaal“ besetzt. Die Gottesdienste der Gemeinde wurden dort sonntagsmorgens zwar geduldet, der Raum selber hatte seit den 1980er Jahren eine kirchenfremde Konzertbestuhlung. Offiziell war die Kirche das „Haus der Orgel- und Kammermusik in der Ukraine“.
Bei dem Brand ist nun die große Konzertorgel zerstört worden, wie auch große Teile des unpassenden Inventars. Nun stand der Rückgabe der Kirche an die Gemeinde nichts mehr im Wege. Am 1. Juni 2022 wurde das stark beschädigte Gebäude der katholischen Gemeinde in Kiew zurückgegeben. Über den „innerkatholischen Flurfunk“ hat man von der Möglichkeit gehört, die Andernacher Bänke möglicherweise bekommen zu können – und so ist es dann passiert. Innerhalb von 2 Tagen waren 2 große Sattelschlepper hier, die auf der Rückfahrt von Rotterdam nach Kiew waren und kurzfristig gechartert werden konnten. Und drei weitere Tage später waren die Bänke in Kiew, versehen mit dutzenden mehrsprachigen Frachtpapieren und gefühlten hundert Stempeln des neuen Andernacher Pfarrsiegels.
Aus Kiew kam in mehreren WhatsApp-Botschaften der vielfältige Dank der Gemeinde hier in Andernach an. Die Bilder von dort sprechen ihre eigene Sprache und geben dem Dank an den Mariendom nochmal deutlichen Ausdruck.
Es hat wohl alles so sein sollen. Es hat alles genau gepasst…
Bilder aus Kiew: Nachdem „unsere“ Andernacher Bänke in der St.Nikolaus-Kathedrale Platz gefunden haben, versammelten sich alle Helferinnen und Helfer der Räumaktion in Kiew zu einem Dankeschön-Bild für die Gemeinde in Andernach.