Da steh’n sie alle, versammelt um den Altar, auf dem die Monstranz mit dem steht, was wir katholische Christen als „das Allerheiligste“ benennen: Jesus selbst in einem kleinen Stück Brot. 

Mancher kann es unbedarft glauben, andere tun sich schwer damit. Und so geht die Schere immer weiter auseinander zwischen denen, die Fronleichnam noch immer als prachtvolle Demonstration des Glaubens sehen, und den anderen, die da lieber aussteigen und gar nicht mehr äußerlich mitgehen, weil sie innerlich längst in Distanz zum Glauben getreten sind. Und dazwischen die Vielen, die doch kommen, weil das Fest doch zum Jahr dazugehört, weil’s schon immer so war und weil’s ja auch letztlich eine beeindruckende Feier ist. 
Wir haben heute morgen auf dem Marktplatz versucht, die Perspektive zu wechseln, uns weg zu denken vom Anspruch, der Welt mal zeigen zu müssen, wer ihr wahrer Gott ist, und dass wir als Kirche „immer noch da“ sind. So hat man oft den Fronleichnamstag interpretiert. Wenn wir aber so weitermachen wollten, zelebrierten wir jedes Jahr öffentlich den Niedergang dieses Festes. 
Nein:
Wir drehen die Perspektive um. Nicht wir zeigen den Anderen den wahren Gott im Stück Brot als Gegenpol zur Welt. Stattdessen „feiern“ wir einfach Gott mitten in dieser pluralen und verschiedenen Welt. Wir zeigen IHM unsere Stadt und ihre Menschen und bitten ihn um das tägliche Brot für alle und um seinen Segen dazu. 

Und bei der Gelegenheit können wir ihm auch sagen, dass wir selber in so vielem nicht wissen, wie die Dinge weitergehen sollen. Dass wir auch nicht „den Plan im Sack haben“ mit der Weisheit, was einzig gut ist für unsere Welt und unser Lebensumfeld – und auch für unsere Kirche und unsere Gemeinden….

Wenn wir auf unserem Zug durch die Strassen ein Gebet auf dem Herzen hatten heute morgen, dann war es vielleicht auch (sinngemäß) dieses:
Schau, Herr Jesus, hier lebe ich.
Ist das Zufall?
Hier hast Du mich hingestellt.
Hier will ich Gutes aus meinen Leben machen.
Für mich und für die anderen, die mit mir hier sind…
Schau, hier bin ich zu Hause.
Stärke meinen Glauben und mein Vertrauen,
dass Du mir das zum Leben gibst, was ich brauche.
Und das alles, was geschieht, seinen Sinn hat in Dir
und in deinem Plan von der Welt,
auch wenn ich den jetzt noch nicht verstehe…

Manche(r), der/die an diesem Morgen dabei war und Rückmeldung gegeben hat, sagte, dass dieser Perspektivwechsel gut tat, und dass er den Weg der Prozession sowie die trotzdem volle Liturgie, an der so viele Leute mitgewirkt haben, leichter mitvollziehen half…  Gut, wenn das spürbar war.
Und wenn das eigene Beten an dem Ort und in der Lebenssituation, in die Gott uns gestellt hat, frei ist und von Herzen kommt, dann ist es geprägt von der Bitte für mich selbst und die anderen Menschen, aber auch vom Dank für das Leben und den „Reichtum“ dessen, was mir hier auch schon alles durch das Leben geschenkt wurde. Und dann haben wir Grund genug, laut das Te deum zu singen, „Großer Gott wir loben dich“

Es war so ein bißchen, als sei der Himmel offen in diesem Moment – und als sei spürbar, was der Verfasser des letzten Buches der Bibel im 21. Kapitel der Offenbarung so beschreibt: „Gott wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein.“

Liebe Leserin, lieber Leser,
auch, wenn diese Gedanken, die Sie bis hierhin gelesen haben, aus dem Eindruck des Fronleichnamstages in den 4 Innenstadtpfarreien entstanden sind, glaube ich, dass sie so auch bei den anderen Fronleichnamsgottesdiensten in Eich und Kell erfahrbar waren, die parallel am heutigen Vormittag stattfanden.
Egal, wie sie gestaltet waren: Wenn diese Gottesdienste dem einen oder anderen, der dabei war, das Herz gehoben und den Himmel geöffnet haben, wenn sie Gemeinde zum Beten gebracht und Christus in die Mitte genommen haben, wenn sie eine Ahnung ermöglicht von der Schönheit des Glaubens an einen Gott, der nicht irgendwo fern, sondern mitten in „seiner Stadt“ oder in „seinem Dorf“ bei „seinen“ Menschen ist, dann haben sie ihren Dienst erfüllt heute morgen.